Von UNO und UMA – Die ersten Momente von geflüchteten Jugendlichen in der Jugendhilfe

Minderjährige unbegleitete Geflüchtete (bürokratisch auch UMA genannt) finden oft über die Notdienste ihren Weg in die Jugendhilfe. Woher sie kommen, welche Sprachen und kulturelle Einflüsse sie mitbringen, stellt beim Betreten des Notdienstes kein Kriterium dar. Nach einer langen Fluchtroute finden sie in den Notdiensten den Anlaufpunkt für ihren weiteren Weg in Deutschland. Alle haben in den ersten Tagen und Wochen die gleichen institutionellen Wege vor sich: Altersfeststellungsgespräch durch das zuständige Jugendamt, eine medizinische Erstuntersuchung und anschließend ggf. eine Umverteilung innerhalb vom Bundesland Brandenburg oder der Verbleib im Landkreis mit dem Auftrag der Einrichtungssuche. Es folgt die Bestallung des Amtsvormundes und die Einleitung des Asylverfahrens.

Neben diesen formalen Terminen kommt jedoch auch das Ankommen in Deutschland hinzu. Dies wird durch die Mitarbeiter*innen des Notdienstes in der ersten Zeit gestaltet. Zu Beginn ist es vorrangig zunächst Grundbedürfnisse zu stillen: Zu beobachten ist, dass die ersten Tage sehr viel Schlaf nachgeholt wird. Ein weiteres Thema ist auch immer die Ausstattung mit einem Mindestmaß an Bekleidung und die ärztliche Versorgung bei Erkrankungen. Das Einfinden in den Tagesrhythmus eines Notdienstes stellt für viele eine große Herausforderung dar. Je nach Fluchtroute mussten die jungen Menschen eine hohe Selbstständigkeit zeigen und haben unterschiedliche teilweise traumatisierende Erlebnisse durchleben müssen. Hier stehen die jungen Menschen und auch die Pädagog*innen oftmals bereits vor der ersten Herausforderung: Eine vermeintliche „Sprachlosigkeit“, mit der man den Jugendlichen begegnet. Das wichtigste pädagogische Hilfsmittel, die gemeinsame Sprache und der geschulte Umgang damit, scheint den Fachkräften genommen zu sein. Hier zeigt sich, dass ein proaktiver Umgang dabei der Schlüssel ist. Diverse Onlineübersetzer sind nur bedingt zuverlässig, kulturelle Unterschiede lassen sich dabei schon gar nicht überbrücken. Dolmetscher*innen und Sprachmittler*innen sind teuer und/oder schwer erreichbar. Eine gemeinsame kommunikative Basis lässt sich jedoch irgendwann immer finden. So ist das Einrichten des WLAN-Zuganges, das Vermitteln der Essens- und Medienzeiten oftmals bereits die ersten Momente, an dem beide Kommunikationspartner*innen irgendwie zusammenfinden müssen. Bildtafeln, Notizzettel, Mimik und Gestik und viel Humor bilden dabei schon die ersten Brücken.

Im Notdienstalltag hat sich bei größeren UMA-Gruppen auch das gemeinsame „UNO-Spielen“ nach dem Abendessen etabliert. Farben und Zahlen lassen sich so wunderbar einüben, das Spiel ist durch seine eindeutigen Piktogramme auch ohne Regelerklärungen in der Muttersprache gut zu verstehen. Außer dem Beziehungsaufbau beim Kartenspiel mit den Betreuer*innen haben diese „UNO-Runden“ auch noch einen anderen positiven Effekt: die Beobachtung der Gruppendynamiken. Denn oft ist es herausfordernd aufgrund der fehlenden gemeinsamen Sprache, Spannungen in der Gruppe frühzeitig zu erkennen und damit diesen ggf. rechtzeitig entgegen zu wirken. Das Kartenspiel offenbart diese Spannungen sehr eindeutig: Wer ist mit wem befreundet, von wem zeigen sich Teile der Gruppe genervt, wer kann schnell und logisch denken, wer verlässt sich auf seine Mitmenschen, usw.

Minderjährige Geflüchtete, die oft noch keine Schule zugewiesen bekommen haben, können im Fluchtpunkt den Spracherwerb besuchen. Eine Sprachlehrerin bringt ihnen so mit sehr vielen unterschiedlichen Methoden die ersten Worte Deutsch bei. Bereits nach den ersten „Schultagen“ im Spracherwerb können viele schon die ersten Worte anwenden. Denn durchweg ist zu beobachten: ein Bedürfnis zur Kommunikation, zum „Verstehenwerden“, ist bei allen vorhanden und die Freude über die ersten geglückten Kommunikationsversuche riesig. Die Fortschritte im Spracherwerb können sich stark unterscheiden, verschiedene Faktoren bilden dabei eine Rolle: Alter, bisheriger Bildungsstand, aber auch Traumafolgeerkrankungen können den Lernfortschritt verzögern. Oftmals werden viele Kapazitäten für das Bewältigen des neuen Alltags benötigt, sodass das Erlernen der deutschen Sprache eine große Herausforderung darstellt.

Traumafolgeerkrankungen zeigen sich auch im Alltag: es besteht eine erhöhte Schreckhaftigkeit bei lauten Geräuschen oder plötzlichen Bewegungen, viele Jugendliche haben schwere Schlafstörungen und haben in der Nacht Ängste oder kreisende Gedanken. Hier braucht es viel Begleitung und auch therapeutische Anbindung, um ihren Leidensdruck zu mindern.

Alle geflüchteten Jugendlichen eint, dass es junge Menschen sind, die ohne Kriege, Katastrophen und deren massiven wirtschaftlichen Folgen so in der Regel nie in einem Jugendhilfesystem gelandet wären. Eine der Hauptanliegen der Notdienstmitarbeiter*innen ist also, diesen Jugendlichen einen Teil ihrer Jugend zurückgeben zu können und ihnen die ersten Bausteine für einen guten Start in ein neues Leben mitzugeben.

Julia Kelch

B.A. Sozialpädagogin (FH)

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